Alles über Haarausfall (Alopezie) - ein wissenschaftlicher Ansatz

Die häufigsten Arten von Haarausfall (Alopezie)

Haarausfall oder Haarverlust (Alopezie) ist ein häufiges Haarproblem bei Männern und Frauen und kann durch viele Faktoren verursacht werden. Genetische Veranlagung und hormonelle Störungen können ebenso eine Rolle spielen wie körperlicher und seelischer Stress, der z. B. durch eine Operation hervorgerufen werden kann. Die häufigsten Formen des Haarausfalls sind die androgenetische Alopezie und das telogene Effluvium.

Androgenetische Alopezie

Androgenetische Alopezie ist die häufigste Form des Haarausfalls, von der bis zu 80 % der Männer und 50 % der Frauen betroffen sind 1,10. Typisch für Männer ist der Haarausfall im Schläfen-, Stirn- und oberen Hinterkopfbereich, während bei Frauen in der Regel eine diffuse Ausdünnung der Haare im Scheitelbereich auftritt 2. Androgenetische Alopezie ist eine chronische und fortschreitende Erkrankung, die durch eine Miniaturisierung der Haare gekennzeichnet ist 3. Der Miniaturisierungsprozess umfasst eine Entzündung und eine Verkürzung der anagenen (Wachstums-)Phase des Haarzyklus, was zu dauerhaftem Haarausfall führen kann 4,15. Dihydrotestosteron ist das wichtigste beteiligte Hormon. Dieses Hormon entsteht bei der unumkehrbaren Umwandlung von Testosteron durch 5-Alpha-Reduktase. Diese Umwandlung findet in den Zellen der Haarfollikel statt und führt zu Haarausfall, da Dihydrotestosteron (DHT) zich an die Rezeptoren der Haarfollikel bindet 5.

Telogen Effluvium

Telogenes Effluvium ist eine häufige Ursache für diffusen Haarausfall ohne Narbenbildung, der in der Regel durch physiologischen Stress wie Geburt oder plötzlichen Gewichtsverlust, Nährstoffmangel, bestimmte Medikamente usw. verursacht wird. Nach einem belastenden Ereignis beschleunigen die anagenen (wachsenden) Haarfollikel der menschlichen Kopfhaut ihren Wachstumszyklus und treten (über unbekannte Mechanismen) vorzeitig in die telogene (ruhende) Phase ein 6. Etwa 2-3 Monate nach dem auslösenden Ereignis führt dies zu einem massiven Haarausfall 7. Die akute Form des Telogeneffluviums bildet sich normalerweise spontan zurück, und die Haare wachsen vollständig nach.

Wenn jedoch die am häufigsten akzeptierten Ursachen für anhaltenden telogenen Haarausfall fortbestehen, kann der Zustand chronisch werden. Manchmal kann keine zugrundeliegende Ursache festgestellt werden, und der Begriff "chronisches telogenes Effluvium" wird verwendet, um diese scheinbar idiopathischen Fälle von anhaltendem telogenem Haarausfall von mindestens sechs Monaten Dauer zu kategorisieren 28.

 

Haarausfall nach einem bariatrischen Eingriff

Haarausfall ist eine anerkannte Komplikation nach einem bariatrischen Eingriff. Er kann auf einen raschen Gewichtsverlust, eine unzureichende Proteinzufuhr oder einen Vitamin- und Mineralstoffmangel nach einem bariatrischen Eingriff zurückzuführen sein. Einer kürzlich durchgeführten Meta-Analyse zufolge liegt die Gesamthäufigkeit des Haarausfalls zwischen 4,5 % und 80 %, je nach Art der bariatrischen Operation, dem Zeitraum nach der Operation und dem Ernährungszustand des Patienten 8. Obwohl der Haarausfall nach bariatrischen Operationen meist harmlos ist, kann er die psychische Gesundheit, das Selbstbild und die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen 9. Bei den beiden häufigsten Verfahren (laparoskopische Sleeve-Gastrektomie vs. laparoskopischer Roux-en-Y-Magenbypass) ist die Inzidenz des Haarausfalls bei beiden Arten gleich (~50-60 %) 8.

Im Durchschnitt treten die ersten Anzeichen von Haarausfall etwa drei Monate nach dem Eingriff auf und halten sechs Monate lang an 11. Die Häufigkeit des Haarausfalls nimmt ebenfalls ab, je länger die Nachbeobachtung dauert ~60 % (<12 Monate) bis 35 % (>12 Monate) 8. Der Haarausfall hört in der Regel spontan auf, aber ein Wiederauftreten des Problems und ein langfristiger Haarausfall sind möglich.

Was Geschlecht und Alter betrifft, so scheint Haarausfall nach bariatrischen Operationen häufiger bei Frauen und jüngeren Patienten aufzutreten 8. Dies könnte jedoch darauf zurückzuführen sein, dass Frauen und jüngere Patienten aus ästhetischer Sicht einen schnelleren Haarausfall melden und  höhere Anforderungen an Kopfhautpflege stellen 11,14. Dies deutet jedoch darauf hin, dass jüngere Frauen nach der Operation mehr Aufmerksamkeit und Pflege benötigen.

Nährstoffmängel können Teil des zugrunde liegenden Problems sein. Diese können bereits vorhanden sein oder erworben werden, da einige Arten von bariatrischen Operationen zu einer Malabsorption von essenziellen Nährstoffen wie Proteinen, Mineralstoffen und Vitaminen führen. So sind beispielsweise die Zink-, Ferritin- und Vitamin-B9-Spiegel bei Patienten mit Haarausfall nach einer Operation nachweislich niedriger 8. Da Zinkmangel auch mit nicht operationsbedingten Formen des Haarausfalls wie Alopezie in Verbindung gebracht wird 12,13,16, wurde vorgeschlagen, dass Patienten, die sich einem Magenbypass unterziehen, täglich eine höhere Dosis Zink zu sich nehmen sollten 17. Obwohl der genaue Wirkmechanismus von Zink beim Haarwachstum noch nicht bekannt ist, ist Zink ein bekannter Kofaktor von Enzymen, die an der Proteinsynthese und der Zellteilung beteiligt sind, die für die am Haarwachstumszyklus beteiligten Wege entscheidend sind 13.

Kupfermangel wird auch nach bariatrischen Operationen erwähnt 22. Kupfer ist an der Melaninproduktion beteiligt und daher wichtig für die Haarpigmentierung. Niedrige Kupferspiegel können die Haarfarbe beeinträchtigen und möglicherweise zu vorzeitigem Ergrauen der Haare führen 24.

Biotin spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der Haarfollikel 25. Der Zusammenhang zwischen Biotinmangel und Haarausfall wurde erstmals bei Patienten festgestellt, die über einen langen Zeitraum eine totale parenterale Ernährung erhielten. Es wurde festgestellt, dass der Haarausfall aufhörte, nachdem die Patienten Biotinzusätze erhielten 26. Eine Biotinsupplementierung hat spürbare positive Auswirkungen nach einer Schlauchmagenoperation, bei der Mängel gemessen wurden 27.

Wie kann man Haarausfall nach einer bariatrischen Operation verhindern und unterstützen?

Neben einer gesunden, nährstoffreichen Ernährung sollten ein hochwertiges Eiweißpräparat und ein spezieller Multivitamin-Mineralstoff-Komplex eingenommen werden, um Nährstoffmängel zu vermeiden. Die in den Eiweißpräparaten enthaltenen schwefelhaltigen Aminosäuren liefern die Bausteine für Keratin, während Zink und Biotin an der Keratinsynthese beteiligt sind. Wie bereits hier oben erwähnt, ist die Zufuhr von Zink besonders wichtig.

Was können wir sonst noch tun?

Trotz zusätzlicher Nahrungsproteine und eines Multivitamin- und Mineralstoffkomplexes, die nach einer bariatrischen Operation verabreicht werden, kommt es nach der Operation immer noch häufig zu Haarausfall. Daher ist oft eine zusätzliche Supplementierung mit spezifischen Inhaltsstoffen, die sich auf das Haar auswirken, erforderlich. Natürliche, klinisch untersuchte Inhaltsstoffe wie Serenoa repens (Saw palmetto) und Öl aus Panicum miliaceum-Samen sind Beispiele dafür. Beide in Kombination mit Sonnenblumenöl, einem Extrakt aus Triticum vulgare und einem Blattextrakt aus Rosemarinus officinalis unterstützen das Haarwachstum bei den häufigsten Formen des Haarausfalls, nämlich der androgenetischen Alopezie und dem Telogen Effluvium. 

Serenoa repens

Serenoa repens ist ein gut untersuchter 5-Alpha-Reduktase-Hemmer. Er enthält Substanzen wie Fettsäuren, die die 5-alpha-Reduktase und damit die Produktion von Dihydrotestosteron blockieren, das über die Bindung von Anagenrezeptoren an den Haarfollikeln für den Haarausfall verantwortlich ist 18. Eine systematische Übersicht von klinische Studien hat gezeigt, dass eine Supplementierung mit Serenoa repens bei Patienten mit androgenetischer Alopezie und Telogen effluvium von Vorteil ist 19.

Panicum miliaceum Samenöl, Sonnenblumenöl, Triticum vulgare Extrakt und Rosemarinus officinalis Blattextrakt

Die patentierte Mischung aus Panicum miliaceum-Samenöl, Sonnenblumenöl, Triticum vulgare-Extrakt und Rosemarinus officinalis-Blattextrakt hat in einer klinischen Doppelblindstudie mit Telogen-Effluvium-Patienten gezeigt, dass sie nach einer dreimonatigen Behandlung die Anzahl der Haare in der Ruhephase (Telogen) und die trockene Kopfhaut deutlich reduziert. Die Patienten berichteten auch über eine Verbesserung des Volumens und des Glanzes der Haare 20. Er fördert die Zellproliferation in den Haarfollikeln durch eine erhöhte Sekretion des Insulin-Wachstumsfaktors-1 und stimuliert die Kollagendicke in der extrazellulären Matrix der Haarfollikel 21.

 


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